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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.

Wenn ein Max Grundig "Klinken putzen" geht ....

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  • ..... dann hat er die Brisanz dieser japanischen Invasion voll erkannt.

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  • Anmerkung : Das berühmte Wort vom "Klinkenputzen" stammt eigentlich aus der Versicherungssbranche, wenn die provisionsabhängigen "Aussendienstvertreter" (bzw. oft auch Drückerkolonnen) von Tür zu Tür "dackeln" und dort die Klinken "putzen".

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Damit dieser Appell nicht ungehört verhallte, hatte Max Grundig sich sogleich auf die Suche nach einem Partner begeben. Er ließ zunächst die Klinken seiner deutschen Branchen-Kollegen drücken.

Das Ergebnis war Schweigen. Hatte man ihn nicht begriffen - oder wollte man nicht ? Sah man der Zukunft nicht klar genug ins Auge? Oder hatte man, bei eigener Passivität, Angst vor der - trotz Krankheit und 75 Lebensjahren - nicht erlahmten Aktivität des Max Grundig?

  • Anmerkung : Sie hatten fast alle ein kleinkariertes Denken wie die Manager von SIEMENS. (Siemens stieg aus diesem Consumer-"Kram" gänzlich aus.) Die überalterten Manager der Firma AEG/Telefunken saßen bereits auf dem absterbenden Ast - Konkurs 1988, Nordmende war bereits schon ganz lange von Philips gekauft, es sollte nur keiner wissen, Neckermann und Quelle hatten dicke Probleme und all die anderen waren quasi Eigenbrötler und vernachlässigbar, weil - im Vergleich zu Grundig - viel zu klein.


Müßig, darüber nachzudenken. Der große alte Mann aus Fürth blieb wie ein Rufer in der Wüste. Als ob er in den letzten fünfzig Jahren nicht oft genug Weitblick und Voraussicht gezeigt hätte, die sich hinterher als prophetisch erwiesen. Es half alles nichts, Max Grundig schien der einzige zu sein, der die Japaner aufhalten wollte.

Der Prophet galt auch diesmal nichts im eigenen Land. Also war es ein europäischer Nachbar, der sich als Partner anbot. Grundigs Unterhändler Ludwig Poullain kam jenseits des Rheins ins Gespräch.

Der französische Staatskonzern Thomson-Brandt suchte technologisches Know-how (Anmerkung : so wurde es jedenfalls publiziert) , war bereit, in die dargebotene Hand einzuschlagen, und damit kündigte sich eine mächtige Allianz an. - Denn zu Thomson-Brandt gehörten schon die deutschen Firmen Saba, Nordmende und Dual. Eine Größenordnung also, die Erfolg versprach im Wettbewerb mit den Japanern.
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(Der nächste Absatz ist etwas zuviel aufgehübscht, denn vorausschauend war da schon Leidensdruck erkennbar.)

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Nägel mit Köpfen - ein Versuch

Max Grundig liebt Nägel mit Köpfen, und deshalb wollte er auch persönliche Opfer bringen. »Ich kenne mich«, sagte er, »ich bin ein bißchen ein Choleriker, und wenn mir dauernd einer reinredet, ist der größte Krach da.«
In richtiger Einschätzung seines Temperaments und »weil es in meinem Alter einfach ein Gebot der Vernunft ist«, beschloß er, sich ganz zurückzuziehen.

Er war bereit, den Franzosen, die eine Mehrheit verlangten, nicht nur den Vorstandsvorsitz und die wichtigsten Chefposten, sondern 74,5 Prozent Anteile zuzugestehen; 24,5% hatte ohnehin Philips. Das hieß also: Grundig ohne Grundig. Entweder alles oder gar nichts, das war immer schon seine Devise, und ein bißchen hier, ein bißchen dort, nicht seine Sache.

»Als wenn ich ein eigenes Kind verkaufe, so war mir zumute. Und wenn ich hier rausgehe, dann heule ich wie ein Schloßhund. Aber es muß sein!« So sagte Max Grundig und richtete sich mit seinem engsten Stab im vierten Stock seines an das Verwaltungsgebäude angrenzenden Bankhauses ein Büro ein, um »sein Kind« nicht ganz aus den Augen zu verlieren und um noch für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stehen.

Am 19. November 1982 veröffentlichten die Max-Grundig-Stiftung und die Firma Thomson-Brandt eine Absichts-Erklärung über die geplante Fusion.

Ein Aufschrei mit Weh- und Anklagen brach los

Die europäische Hochzeit war gerichtet, die Trauzeugen Kohl und Mitterand standen bereit, nur das nichtbestellte Publikum brach plötzlich in Weh- und Anklagen aus. Einen »Retter mit üblem Ruf« nannte man Thomson-Brandt in der Presse, obgleich Grundig weder einen Retter nötig hatte noch der »üble Ruf« der Franzosen gerechtfertigt war. Den sagte man Thomson-Brandt nach, weil der Konzern das Videocolor-Werk in Ulm erst übernommen und dann stillgelegt hatte.

Daß diese Maßnahme unumgänglich war, um Nordmende, Saba und Dual am Leben zu erhalten, verschwieg man. »Gefährdung von Arbeitsplätzen« (das Gegenteil war zu erwarten), »Ausverkauf deutscher Interessen« (auf einmal nationale Töne!) und »Perverse Hochzeit zwischen Kapitalist und Sozialisten« (und das aus der linken Ecke!) heulten die Auguren. Politiker, von Profilierungssucht befallen, stilisierten die geplante Fusion zum Wahlkampfthema hoch, denn die Bundestagswahl vom 6. März 1983 stand an. Unsachliche Anwürfe dominierten.

Man unterstellte Grundig eine Finanzschwäche, unter der das Unternehmen nie zu leiden hatte. Eben in jenen Wochen, da das Gezeter um die Thomson-Brandt-Hochzeit einen Höhepunkt erreichte, Ende November/Anfang Dezember 1982, verkaufte Grundig in fünf Tagen 54.000 Fernsehgeräte und 32.000 Videorecorder. Deshalb durfte Max Grundig mit ruhigem Gewissen versichern: »Wir verhandeln aus einer Position der Stärke.«

Doch die Hochzeit platzte noch vor der Hochzeitsnacht

Diese Stärke konnte er auch bald brauchen, denn das Kartellamt in Berlin ließ den Hochzeitstermin platzen. Es verweigerte die Zustimmung, weil durch die 24,5-Prozent-Beteiligung von Philips an Grundig »eine Verflechtung von Interessen zwischen Thomson-Brandt und Philips eingetreten und der Marktanteil zu mächtig geworden wäre«. Philips nämlich wollte sich von seinen Grundig-Anteilen auf keinen Fall trennen. Man konnte ja nie wissen: Vielleicht würde die Philips-Grundig-Umarmung eines Tages doch heftiger werden ...

Thomson-Brandt, verschnupft über das Echo in der Bundesrepublik und in die Rolle des ungebetenen Gastes gedrängt, wollte trotzdem einen deutschen Partner haben. Man suchte die zweitbeste Lösung und klebte sich in einer Blitzaktion als Trostpflaster die Mehrheiten an Telefunken aufs Hemd, erwarb damit allerdings - wie paradox - japanische statt europäischer Video-Technologie. Was freilich nicht besagt, daß Grundig und Thomson-Brandt für die Zukunft sich nicht doch in irgendeiner Kooperation treffen könnten ...

Das Bedauern lag nicht nur bei den Franzosen (die Pariser Zeitung »Le Monde« wies dem Thomson-Brandt-Konzern wegen seines raschen Aufgebens zumindest eine Teilschuld zu) oder bei der EG in Brüssel, bei der man »im Namen Europas« bestürzt war über die Entscheidung Berlins, auch Max Grundig mußte erstmal schlucken, weil er sein Klassenziel, die Verwirklichung des EURO-Konzepts, zumindest diesmal nicht erreicht hatte.
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  • Anmerkung : Diese Bedenken der Kritiker waren nicht ganz so unbegründet, wie es hier dargestellt wurde.  Aber nicht, weil die Franzosen alle für 1 DM aufgekauften deutschen Pleite-Firmen dicht gemacht hatten, sondern weil sie mit der deutschen Mentaliät nicht zurande kamen und unbedingt ein Franzose der deutsche Chef werden mußte. Als etwa 20 Jahre später die Profi- Fernsehabteilungen von BOSCH-Fernseh und Philips-Breda, also die Weiterstadter BTS GmbH an Thomson ging, war es auch nur eine Frage der Zeit, bis das ganze Konstrukt bzw. Konklumerat kollabierte.

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Und bei den Deutschen war kein Umdenken zu erkennen

Aber das Scheitern der Franzosen-Fusion konnte seine Meinung nicht ändern, daß der Fernost-Druck durch Kooperationen und größere Kapazitäten von Europa genommen werden kann. Nun müsse man eben nach anderen Wegen suchen.

Im übrigen zeigte es sich, wie recht er mit seiner schon längst erhobenen Forderung hatte, statt eines deutschen besser ein europäisches Kartellamt zu bestellen.

Denn die Entwicklung machte nicht Halt an den Grenzen der Bundesrepublik, hier standen europäische Interessen auf dem Spiel, und da wäre ein Umdenken über den Zaun nationaler Eigenbrötelei vonnöten (gewesen).

Eine Presse-Erklärung Ende März 1983

Doch Max Grundig verdaute auch diese Pille mit bewundernswerter Standfestigkeit. Vor der Presse erklärte er Ende März 1983:

»Es gibt im Augenblick keine Notwendigkeit, etwa Philips stärker an meinem Unternehmen zu beteiligen. Ich war noch nie im Zugzwang, nach Partnern zu suchen, und ich bin es auch heute nicht. Wir sind ein finanziell rundum gesundes Unternehmen. Es gibt im Bundesgebiet viele Firmen, die froh wären, wenn sie einen Bilanzstatus hätten wie Grundig. Wir haben auch keine Probleme mit der Technologie, in dieser Hinsicht sind wir sogar besser als die Japaner. Und wir haben etwa bei Videogeräten alleine schon die größten Marktanteile.«

Ein offener Brief an den Gesamtbetriebsrat

In einem offenen Brief an den Gesamtbetriebsrat seines Unternehmens hieß es:
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  • »Ein Verbund von Grundig, Thomson-Brandt, Nordmende, Saba, Dual und Telefunken hätte für alle Beteiligten ungeahnte Möglichkeiten eröffnet und die weltweite Konkurrenzfähigkeit entscheidend gesteigert. Durch diese Gruppierung hätten alle Produkte, die die vorgenannten Firmen zur Zeit noch in Japan einkaufen, in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Europa gefertigt werden können.
  • Grundig selbst hätte in den beiden Fabriken in Langwasser und Wien allein zwei Millionen Fernsehgeräte und eine Million Videorecorder produzieren können. Die gesamte Entwicklung wäre bei Grundig konzentriert worden, das heißt, der bestimmende Einfluß wäre von Fürth ausgegangen.
  • Wir bedauern außerordentlich, daß wir zur Zeit Arbeitskräfte freistellen müssen. Es ist allen bekannt, daß die Einführung neuer Technologien einen gewissen Automatisierungsprozeß zur Folge hat. Dadurch werden Lohnminuten und Arbeitsplätze eingespart.
  • Unsere Produkte werden zu 40 Prozent im Inland und zu 60 Prozent im Ausland verkauft. Wir sind bestrebt, den Auslandsanteil auf zwei Drittel zu steigern. Mit neuen Produkten, die besser in der Leistung, hervorragend in der Qualität und billiger im Preis sind, wollen wir unsere Position verbessern, um größere Mengen zu vermarkten. Vielleicht wird uns das eines Tages - nach den jetzt notwendig gewordenen Entlassungen - gestatten, auch wieder Arbeitskräfte einzustellen.
  • Wir werden, wie die ganzen Jahrzehnte vorher - von der Philips-Beteiligung abgesehen - erst einmal allein bleiben, und wir sind überzeugt, daß wir weiterhin auf Erfolgskurs bleiben ...
  • Grundig ist stark genug, allein zu bleiben. Die wirtschaftlichen Gesamtverhältnisse bei der Grundig AG sind in bester Ordnung.
  • Sollte Grundig jedoch einmal eine Verbindung mit einem anderen Unternehmen eingehen, dann nur, wenn es Sinn und Zweck hat. Dabei dürfte aus heutiger Sicht wohl kaum ein anderer Partner als Philips in Frage kommen.«

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»Wir sind stark genug, allein zu bleiben.«

Dieser Satz könnte über Leben und Werk Max Grundigs stehen: »Wir sind stark genug, allein zu bleiben.« Daran hat er sich immer gehalten, stark ist er allein geworden, und allein führt er auch jetzt im Vertrauen auf diese Stärke sein Unternehmen.

Besitz und Kapital waren ihm stets Mittel zum Zweck. Sie dienten dem Ziel, einmal Erschaffenes zu erhalten, damit kommende Generationen es besser haben. Seine Jugend war hart gewesen, und deshalb wußte er, wovon er sprach.

Was hatte er denn selbst von Reichtum und Besitz, von all den Werten, die er sich nun leisten konnte, von Ehrungen und Orden, 62 an der Zahl und kaum in einem Reisekoffer unterzubringen? Nichts, wenn man es genau betrachtet.

Wie sieht denn der Arbeitstag des Großindustriellen Max Grundig aus? Aufstehen morgens um 6 Uhr, ein Glas Orangensaft zum Frühstück, um 7.30 Uhr in der Firma, Post, Diktate, Telefonate, Konferenzen, Besprechungen mit den Technikern, Bilanzen mit den Buchhaltern, Entwürfe mit den Grafikern, neue Geräte, Modelle von morgen, dazwischen 20 Minuten Mittagessen in der Firmenkantine, abends um 7 Uhr zu Hause kleines Essen mit Kräutertee, danach Akten studieren.

Rauchen und Trinken Fehlanzeige. Es bleibt ihm kaum Zeit, sich an ein paar Blumen, an der Natur zu erfreuen. Übrigens: Flieder hat er am liebsten.
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