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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.

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Kapitel 4 (aus obigem Buch) - - Erinnerungen

Der Aufschwung

Jetzt begann für Max Grundig ein Aufschwung, wie er in Deutschland, in ganz Europa, einmalig sein sollte. Kein Einzelunternehmer hat jemals, weder vorher noch nachher, aus eigener Kraft und mit stetig steigendem Erfolg ein Werk von solcher Größe und Weltgeltung aus dem Boden gestampft wie Max Grundig. Niemals wurde ein Unternehmen vom Namen seines Gründers und Erbauers so geprägt wie dieses, waren Werk und Namen zu einer Einheit verschmolzen.

Ein Zeitungsartikel in den Nürnberger Nachrichten vom 12. Januar 1946 drückte die ersten Hoffnungen und Vorahnungen aus, die an dieses Jahr geknüpft wurden, soweit man an Radios dachte: Die Tausende und Abertausende von Hörern in Stadt und Land, die Tag für Tag ihre nicht mehr funktionierenden Rundfunkgeräte nur mit stillem Ingrimm und einem Seitenblick auf das Beil ansehen können, wird es zwar nicht trösten, zu hören, daß in der amerikanischen Zone allein von etwa zweieinhalb Millionen in Gebrauch befindlich gewesenen Apparaten nur noch ca. 500.000 Stück einwandfrei arbeiteten. Denn gemeinsames Leid ist hier leider nicht geteiltes Leid...
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Angeblich soll es bald wieder Radios geben

Aber es zeigt sich schon ein Silberstreifen am Horizont. Aus Stuttgart kommt die erfreuliche Kunde, daß für das Jahr 1946 die Fabrikation eines Drei- bis Vier-Röhren-Einheitsempfängers für die amerikanische Zone vorgesehen ist, der in einer Auflage von 150.000 Stück auf den Markt kommen soll. Zwei Drittel davon sind für die Zivilbevölkerung bestimmt.

Da auch bestimmte Pläne für die Herstellung besonders benötigter Röhren vorliegen und sowohl deren als auch die Apparatefabrikation laufend gesteigert werden dürften, ist demnach zu erwarten, daß eines Tages der Herr Haushaltsvorstand freudestrahlend daheim erscheint und im Beisein der gespannt versammelten Familie den Druck am Einschalteknopf vollzieht, um den vielgeliebten Kasten zum Anlaufen zu bringen.

Aber noch konnte niemand ahnen, was in den kargen Räumen der Jakobinenstraße 24 unter reichlich primitiven Bedingungen vorbereitet wurde. Max Grundig wollte ein Radio bauen, schließlich bastelte er seit seinem 16. Lebensjahr an diesem Medium herum, es war ihm ans Herz gewachsen. Und dann war er ja auch Radiohändler. Dieses Gerät sollte obendrein jedermann ohne Bezugsschein kaufen können, und das stieß auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten.
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Träume und Wünsche und die Verordnungen

Denn solch frommem Wunsch standen unheilige Verordnungen entgegen: Erstens erlaubten die Besatzungsmächte nicht so ohne weiteres, daß Radiogeräte überhaupt gebaut wurden, und zweitens waren die, falls eine Genehmigung durchgeboxt werden konnte, wie so ziemlich alles, streng bewirtschaftet und damit bezugsscheinpflichtig.

Daran scheiterte auch das Projekt Floh oder Gnom,
ein kleines Rundfunkgerät ohne Skala, das Max Grundig sich zwischendurch vorgestellt hatte und von dem tatsächlich still und heimlich etliche Exemplare gebaut worden waren. Nein, da gab es einen anderen Weg, und der spukte Max Grundig solange im Kopf herum, bis die Idee reif fürs Reißbrett wurde.
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Als plötzlich der Groschen fiel

Bei einem Mittagessen in der Moststraße im Dezember 1945 fiel der Groschen. Grundig stand nach der Suppe plötzlich auf, seine Frau schaute ihn verständnislos an, er murmelte: Mir ist was eingefallen, ich komm' gleich wieder, ging hinüber in die Jakobinenstraße und kam 24 Stunden lang nicht wieder.

Nach diesen 24 Stunden war das Konzept fertig.
Das Radio sollte ein Spielzeug werden, und wo stand geschrieben, daß Spielzeuge nicht hergestellt oder vertrieben werden durften? Daß man einen Bezugsschein dafür brauchte?

Hier hatte das Bewirtschaftungssystem eine Lücke, und in die sprang Max Grundig mit beiden Beinen: Das Spielzeug war ein Baukasten, mit sämtlichen Einzelteilen, aus denen sogar der Laie ein Radio basteln konnte.
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Ein Spielzeug als Baukasten ohne Röhren

Bloß eines gab's in dem Baukasten nicht: Röhren. Denn mit Röhren war's ja ein vollwertiges und damit wieder bewirtschaftetes Radio geworden, auf Bezugsschein, und davon gab es herzlich wenige. Außerdem waren die bewirtschafteten Röhren nur auf dem Schwarzen Markt zu haben, für mindestens 100 Mark das Stück.

Wer also unbedingt ein Rundfunkgerät haben wollte - wer nicht? -, und damit wieder Anschluß an die Welt, der würde auch einen Weg finden, sich eine Röhre zu organisieren.
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Hans Eckstein wird angeheuert

Der Baukasten für das erste Grundig-Radiogerät bekam folgerichtig den Namen Heinzelmann, weil er, wie die Heinzelmännchen, den Menschen heimlich half.

Nun traf es sich, daß in dem oberpfälzischen Ort Oberviechtach, Seilergasse 119, ein ehemaliger Elektroingenieur von Telefunken herumsaß, der Ideen und eine Vorliebe für technische Basteleien hatte: Hans Eckstein, Nürnberger und ganz früher Lumophon-Konstrukteur.

Als er hörte, daß in Fürth ein gewisser Grundig Trafos und Prüfgeräte aus dem Nichts hervorzauberte, besuchte er ihn an einem Dezember-Sonntag 1945. Max Grundig, eben mit dem Heinzelmann schwanger geworden, spürte, daß hier ein Talent in oberpfälzischer Abgeschiedenheit blühte.

Er fand einen Gleichgesinnten, und von nun an entwickelte sich eine rege Korrespondenz, die sich sowohl der Weiterentwicklung der beiden Prüf- und Reparaturgeräte widmete, als auch der Planung des Radiobaukastens.
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Und jetzt geht es Schlag auf Schlag voran

Am 15 Januar 1946 schrieb Grundig an Eckstein: Es wäre mir sehr angenehm, und ich würde Ihnen gerne Ihre entstehenden Spesen vergüten, wenn Sie es möglich machen könnten, im Laufe des Monats mich zu besuchen, nachdem Pläne für meine kommende Fabrikation in größeren Umrissen vorliegen. Es ergibt sich hierbei eine Tätigkeit für Sie, die Sie in Oberviechtach ausführen könnten, und die Ihnen sehr zusagen würde.

Am 7.März: Betrifft: Entwicklungsarbeiten für Radiobaukästen.
Da wir in der Planung dieser Angelegenheit einige Entschlüsse treffen müssen, bitten wir Sie, uns mit den bisher fertiggestellten Vorschlägen in Kürze zu besuchen. Den Brief vom 15. Januar hatte Max Grundig übrigens noch auf einem alten Briefbogen geschrieben mit der Anschrift RVF-Radio-Vertrieb Fürth, Max Grundig. Betriebsleitung und Büros Fürth in Bayern, Schwabacher Straße 1. Betriebsabteilung I: Fabrikation von Transformatoren. Betriebsabteilung II: Werkstätte für Funktechnik Betriebsabteilung III: Rundfunk-Einzelhandel.

Am 11. März erreichte Hans Eckstein ein Telegramm Max Grundigs: Drahtet umgehend Besuchstermin. Angelegenheit eilt. Max Grundich, Fürth/Bayern, Jakobinenstraße 24x< Hatte also der Postbeamte in Oberviechtach den Namen so hingeschrieben, wie er ihm im fränkischen Dialekt durchgegeben worden war und wie man ihn fränkisch auch ausspricht: Ein ch statt ein g am Schluß.
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Otto Siewek wird angeheuert

Am 19. März 1946 erschien Eckstein wieder in Fürth. Zufällig hatte er sich einen sonnigen, freundlichen und klaren Frühlingstag herausgesucht, an dem das Thermometer bis 11 Grad anstieg. Vielleicht wirkte sich dieses Wetter auf die Stimmung der Verhandlungspartner aus, jedenfalls kamen die Herren glänzend miteinander aus, obgleich sowohl Max Grundig als auch Hans Eckstein sehr eigenwillig ihre Pläne zu verfolgen pflegten.

 

Dritter Teilnehmer des Gesprächs war Otto Siewek, am 15. Februar 1946 auf Empfehlung des Nürnberger Radiohändlers Willi Pruy zu Max Grundig gestoßen. Er sollte die Vertriebsorganisation aufbauen und später Grundigs Generaldirektor werden. Hans Eckstein, dessen Frau auch eine begabte Technikerin war, brachte einen von ihm entwickelten Spulensatz mit, den er als Einzelbaustein für Bastler verkaufen wollte. Eine geniale Geschichte, erinnert sich Max Grundig, aber ich habe ihm gleich gesagt, das wäre ja verschenkt. Dieses Ding paßte haargenau in unseren Baukasten. Hören Sie zu, das machen wir so.
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und sie knobelten an den Heinzelmännern

Von nun an knobelten Grundig und Eckstein verstärkt an den Heinzelmännern. Eckstein fuhr zurück nach Oberviechtach, fertigte Pläne, Grundig besorgte das Material. Er hatte ja noch Rohstoffe von Siemens und von AEG. Dazu organisierte er, Teil für Teil, von Philips, von der Nürnberger Firma NSF und wer weiß, woher sonst noch.

Er entfachte wieder mal sein großes Organisationstalent, und zum Tausch, der damals einzigen Bezugsmöglichkeit, hatte er nun ja seine Trafos, seine Tubatests und Novatests. Damit ließ sich nicht nur an die notwendigen technischen Bestandteile rankommen, sondern auch an Äußerlichkeiten: Gehäuse, Stoff für die Bespannung, Skala.
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Auch ein Baukasten-Radio sollte schön aussehen

Auch ein Radio, das aus einem Baukasten zusammengesetzt wird, sollte ordentlich aussehen. Also besorgte Max Grundig Eichenholz und Nußbaum. Wer sollte es polieren, und womit? Der Chef stöberte höchstpersönlich einschlägige Geschäfte durch, bis er das beste Mittel fand und auch bekam. Damit verschönten Arbeiterinnen, die er eigens aus Schreinereien holte, das Einfach-Radio, bis es einigermaßen attraktiv aussah. Das Kunststoff-Dämm-Material wiederum besorgte er von den Amerikanern.

In der Muna in Feucht bei Nürnberg, einer ehemaligen Munitionsfabrik, in der jetzt Bomben und Granaten aus dem Krieg unschädlich gemacht wurden, lagerten zahlreiche amerikanische und englische Luftminen, Blindgänger, die man in deutschen Städten gefunden hatte. Diese Minen wurden regelrecht ausgeschlachtet, und dabei fiel tonnenweise sogenannte Füllmasse ab. Das war ein gelbes Zeug, wir haben's schwarz eingefärbt und als Kunststoff für Radios verwendet. Einfälle muß der Mensch haben!
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