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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.

Auch ein Grundig muß mal pausieren

Um dieser Hektik wenigstens zwischendurch für ein paar Tage zu entgehen, wich Max Grundig gern in die Wärme des Südens aus. Er hatte von 1960 bis 1968 ein Haus in Mandello am Comersee, aber er liebte Südfrankreich, die Riviera. Schon als junger Mann mit wenig Geld in der Tasche hatte er gespart, um sich Ferien in Cap Martin leisten zu können.

Nun, fast vier Jahrzehnte später, und als Großindustrieller finanziell schon wesentlich beweglicher, erlaubte er sich wieder einen kurzen Abstecher an die Cote d'Azur. Diesmal wollte er ernst machen, jetzt, wo er sich's leisten konnte:

»Hier kauf ich mir was!«

In seinem Hotel fragte er den Portier: »Ich möchte mir ein Häusle bauen, wissen Sie was in der Nähe?«

Max Grundig, in typisch fränkischer Untertreibung, sprach - wie 18 Jahre zuvor in Hohenburg - von einem »Häusle«, klein und bescheiden. Aber er konnte ja nicht ahnen, was der Portier wußte: »Da fragen Sie mal nach der Villa Soulico.«

Das war so eine Sache mit der Villa Soulico. Die gehörte einer russischen Prinzessin mit dem Zungenbrecher-Namen Anna Chervachidze. Eigentlich war sie gar keine geborene Prinzessin, sondern eine Tänzerin und erst durch die Heirat mit einem russischen Fürsten zur Prinzessin aufgestiegen.

Diesem längst verstorbenen Herrn hatte sie auch das Prachtstück von einem Haus an der Westseite des Cap Martin zu verdanken. Die Greta Garbo und der Arthur Rubinstein verkehrten dort, Onassis und Niarchos, die Begum und das monegassische Fürstenpaar, Und wenn sie bei guter Stimmung war, dann tanzte die Prinzessin Chervachidze auf dem Tisch.

Nun hatte sie den letzten Walzer getanzt . . . .

 denn das Geld war ihr ausgegangen. Beim Spiel oder nur so, weil ein Leben an der Cote d'Azur bei entsprechendem Wandel auch ein handliches Vermögen zur Schmelze bringt. Die Dame mußte verkaufen, die Monegassen stellten ihr anderswo ein kleineres Etablissement zur Verfügung.

Das war Max Grundigs Chance, auf seinem geliebten Cap Martin ein bißchen heimisch zu werden. Er kratzte sich zwar bedenklich am Kopf, als er den Preis hörte, aber warum sollte sich ein Max Grundig, der ein Industrie-Imperium aus dem Boden gestampft und dabei zu keiner Sekunde auf sich Rücksicht genommen hatte, warum sollte der sich nicht auch mal einen Luxus leisten?

Er leistete es sich, 380.000 Dollar auf den Tisch zu legen, das waren damals genau 1,38 Millionen DM. Hand aufs Herz: Dafür kriegt man heute, 1983, in München, Düsseldorf oder Hamburg nicht mal eine Fünfzimmer-Dachterrassenwohnung ...

Doch leider keine Sonne ohne tiefe Schatten

Max Grundig liebte diese Villa. Sie lag wunderschön, Fels, Sonne, Pinien und direkt am Meer. Ein Klima, das ihm gut bekam.

Aber bald stellte sich heraus, daß die Villa Soulico vielleicht von ein bißchen zuviel Meer und Fels umgeben war. So schön Meer und Fels sind, vereint können sie arg laut und aufdringlich werden. Bei jedem Stürmchen klatschten die Wellen in 4-D-Stereo, benahmen sich, als ob ein Orkan bevorstünde.

Man mußte das Radio lauter stellen, um überhaupt etwas zu verstehen, den Partner-Dialog mit erhobener Stimme bestreiten, nachts mit Ohropax ins Bett gehen, und wenn's ganz schlimm kam, klappten die Toilettendeckel unter dem Ansturm der Wogen völlig unplanmäßig und selbsttätig hoch ...

Kurzarbeit - seit vielen Jahren zum ersten Male

Max Grundig nahm's gelassen. Er war anderes gewöhnt. Besonders in diesen Tagen, da die Wirtschaft sich zum erstenmal seit vielen Jahren mit Kurzarbeit herumzuplagen begann. Wiedermal traf es die elektronische Industrie mit einem Anteil von 60 Prozent besonders heftig, und der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Josef Stingl, fürchtete gar, daß in der Elektroindustrie »aufgrund einer Absatzschwäche« die Kurzarbeit durch Massenentlassungen abgelöst werden könnte.

Grundig verhinderte dies, mußte jedoch im Juni 1971 in verschiedenen Werken die Produktion vorübergehend vermindern und »durch Fluktuation frei gewordene Stellen« unbesetzt lassen. Das Farbfernsehgeräte-Werk blieb davon unberührt.

Grundigs Leute aber brauchten in den siebziger Jahren um ihre Existenz nicht zu furchten, dafür war das Unternehmen viel zu gesund. Der Konzernstatus vom 31. März 1971 hatte es bewiesen: 603 Millionen Mark Umsatz im Inland, 512 Millionen Mark im Ausland, Anlagevermögen 314 Millionen Mark, Bilanzsumme 1 Milliarde 131 Millionen Mark. Das Stammkapital der Grundig-Werke wurde auf 182,4 Millionen DM erhöht.

1971 - Berlin, der Video-Cassetten-Recorder VR 200 Color

Auch auf dem Markt zeigte sich die Leistungsfähigkeit des Unternehmens: Auf der »Internationalen Funkausstellung« im August 1971 in Berlin erschienen der Video-Cassetten-Recorder VR 200 Color und die ersten Farbfernsehgeräte mit Sensortechnik, im November erste Radiogeräte mit »4-D-Stereo-Raumklang-Einrichtung«.

GRUNDIG wurde überall bekannt, auch in Russland

International wuchsen Interesse und Neugierde an Grundig-Qualität. Nachdem das USA-Geschäft sich sehr gut angelassen hatte, wurden jetzt auch die Sowjets hellhörig: Im Juni 1971 reiste Max Grundig mit einer Gruppe deutscher Wirtschaftler nach Moskau und Leningrad, und am 23 Juni wurde er im Kreml von Ministerpräsident Alexej N.Kossygin empfangen. Am 13. November kam Professor Dscherman M. Gwischiani, stellvertretender Vorsitzender des Staatskomitees für Wissenschaft und Technik beim Ministerrat der UdSSR, zu Besuch nach Langwasser, und am 1. Dezember besichtigten elf sowjetrussische Experten verschiedene Grundig-Werke.

Daß die Ware aus Nürnberg/Fürth Klasse war, hatte sich selbst in New Yorks Unterweltkreisen herumgesprochen: Mitten in der Millionenstadt schnappten sich Gangster einen LKW-Anhänger mit Grundig-Produkten, entführten ihn und raubten ihn aus bis auf die letzte Kiste.

Die Gesundheit kam immer hinten dran

Eigentlich hätte Max Grundig sich in diesen stürmischen Jahren mehr um seine Gesundheit kümmern sollen, aber wie konnte man das von einem Mann verlangen, der täglich 12 bis 14 Stunden in seinem Werk zubrachte ?

Hin und wieder maunzte er zwar ein wenig, Anfang 1970 etwa, daß es ihn am linken Ellbogen und am linken Unterschenkel »so blöd jucke«. Mehr sagte er nicht, selbst als die Juckstellen sich mehr und mehr röteten und zu kleinen unangenehmen Hautflecken und Wunden wurden, die weiter um sich griffen und das Gewebe zu zerstören begannen.

Könnte vielleicht von einer Fischvergiftung kommen, sagte man ihm, als er in Venedig Hummer gegessen hatte, der nicht ganz einwandfrei schien.

Noch wollte er nicht daran glauben, daß hier ein Zusammenhang bestehen konnte mit einer Behandlung, die ihm seinerzeit bedeutungslos erschienen war: 1955/56 hatte man ihn wegen einer Hautflechte mehrmals bestrahlt ...
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Die Aktiengesellschaft und die Olympischen Spiele 1972

Max Grundigs Augenmerk war jetzt auf Ereignisse gerichtet, die für 1972 anstanden, und die schienen ihm wichtiger, wie er seine Arbeit, sein nie enden wollendes Tagewerk immer vor seine Gesundheit gestellt hatte: Einmal wurden die »Grundig-Werke GmbH« am 1. April 1972 - wie schon angekündigt - in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und dann verlangten die Olympischen Spiele in München besondere Anstrengungen in der Farbfernseh-Produktion.
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  • Anmerkung : Der Olympia Veranstalter hatte über 8.000 große 72cm Farbfernseher ausgeschrieben und den Auftrag zog Grundig an Land, gegen Telefunken, Siemens und Philips. Die anderen kleineren Hersteller wie SABA oder WEGA oder Nordmende oder Körting hatten keine Chance. Leider hatten alle Grundig Farbfernseher dicke thermische Konvergenzprobleme und entwickelten sich fast zum imagemäßigen und vielleicht auch finanziellen Fiasko.

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Infos zur Umwandlung der Firma in die Grundig AG

In einer Erklärung am 22. März 1972 hieß es zur Umwandlung in die AG:

»Durch die Umwandlung wechselt nur die Rechtsform der Gesellschaft, es entsteht dabei kein neuer Rechtsträger. Der Vermögensstand wird durch die Umwandlung nicht berührt, das heißt, alle Forderungen und Verbindlichkeiten sowie alle Verträge der Grundig-Werke GmbH werden mit der Umwandlung Forderungen, Verbindlichkeiten und Verträge der Grundig-Aktiengesellschaft.
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Das Grundkapital der Aktiengesellschaft entspricht dem Stammkapital der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es beläuft sich zur Zeit auf 182,4 Millionen DM. Daran ist der Grundig-Familien-Verein e.V. mit stimmrechtslosen Aktien im Gesamtnennwert von 0,55 Millionen DM beteiligt. Alle übrigen Aktien gehören der Max Grundig-Stiftung. An einer vorgesehenen Kapitalerhöhung auf 200 Millionen DM werden sich Max Grundig-Stiftung, Grundig-Familien-Verein und einzelne Familienmitglieder beteiligen.«
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Im Olympia-Jahr gabs nochmal einen Verkaufs- Boom

Die Hoffnungen, die in das Olympia-Jahr gesetzt wurden, erfüllten sich tatsächlich: Der Absatzknick der vergangenen Jahre 1969 bis 1971 war ausgebügelt, es ging wieder aufwärts, vorübergehend jedenfalls. Gefragt waren vor allem Farbfernseh-Geräte (in Langwasser erreichte die Tagesproduktion 1.200 Apparate, und allein das Organisations-Komitee der Olympischen Spiele orderte 8.639 Grundig-Farbfernseher), dazu kamen HiFi-Stereo-Anlagen, aber auch Radio-Recorder, Tonband-Cassetten-Geräte und tragbare Schwarz-Weiß-Fernsehapparate; der Umsatz stieg im Inland um 25 Prozent, der Export um 40 bis 50 Prozent, der Gesamtumsatz betrug jetzt 1,4 Milliarden DM; die Produktion wurde um 15 bis 20 Prozent gesteigert; 400 neue Mitarbeiter kamen hinzu.

Das Unternehmen trotzte allen Krisen.

Auch an Grundig-Neuheiten blieb das Jahr 1972 nicht gerade arm: Super Color kam heraus, die Modultechnik, Würfelgeräte, Halbleiterchassis; die 110-Grad-Bildröhre setzte sich durch, ebenso die Sensortechnik bei Schwarz-Weiß-Geräten.

Auf der Hannover Messe wurde der weiterentwickelte Video-Cassetten-Recorder BK 2.000 gezeigt, und im Juli beteiligte Grundig sich an der Ausstellung »Elektra 72« in Moskau.

Der Erfolg solcher Bemühungen kam gleich hinterdrein, und so trat das Unerwartete ein, fast möchte man sagen: wurde das Unerreichbare erreicht. Max Grundigs Konzern meisterte auch die schwierigen siebziger Jahre, gewohnt souverän in ihren Anfängen, geschickt und gut ausgewogen in ihrem weiteren Verlauf.

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