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Diese Story basiert auf einer "Betrachtung" ... so um 1958 ...

... jedoch einer sehr kritischen Würdigung. Somit können wir die damaligen Denkweisen und Daten mit den heutigen Erkenntnissen gegenüberstellen und kommentieren.

Grundig reitet die harte Tour - Die Fairniss bleibt auf der Strecke

Grundig drang unnachsichtig auf Abnahme der vollen Quoten, obwohl er die Werksvertreter mitunter für ungewöhnliche Hilfsleistungen in Anspruch genommen hatte: Die Kapitaldecke seines zu schnell gewachsenen Unternehmens war trotz des prompten Warenumschlags und des schnellen Geldrückflusses zu kurz, so daß Grundig bisweilen Gefahr lief, Betriebskosten, Wareneinkäufe, Investitionen und Steuern nicht termingerecht bezahlen zu können.

 

In dieser Situation wandte sich Grundig an die Banken, denen er damals (1949/50) aber noch nicht kreditwürdig genug war. Nur die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank riskierte es, Grundig gegen entsprechende Sicherheiten Geld zu leihen. Die Sicherheiten mußten die Werksvertreter stellen, wofür Zessionen (Forderungsübertragungen) von Teilzahlungsverträgen in Anspruch genommen wurden.

 

Eine weitere Finanzierungsquelle erschloß Grundig, indem er sich von den Werksvertretern Wechselakzepte aushändigen ließ, obwohl die Werksvertreter ihre Lieferschulden bereits durch die Zessionen getilgt hatten. Grundig ließ die von den Werksvertretern mit Akzepten versehenen Wechselformulare bei der Bayerischen Hy-po diskontieren, das heißt, er bekam dafür Bargeld. Die Bank refinanzierte sich anschließend durch Weitergabe der Papiere an die Landeszentralbank. (Dazu benötigten die Wechsel mindestens zwei gute Unterschriften, nämlich den Namen Grundig und den eines Werksvertreters.)

 

Daß es sich dabei um Wechselmanipulationen handelte, geht aus einem Beruhigungsschreiben hervor, das die Bayerische Hypo an einen verschreckten Werksvertreter richtete: „Die schriftliche Zusage (des Bankinstituts), daß es den Werksvertreter aus den Wechselziehungen nicht in Anspruch nehmen wird, dürfte die unbedingte Gewähr bieten, daß sie eingehalten wird. Die Besorgnis, die Landeszentralbank könnte als gutgläubiger Dritter alle Wechselverbundenen in Anspruch nehmen, scheint uns allen Erfahrungen zu widersprechen."

 

Erinnert sich Grundigs ehemaliger Werksvertreter Hermann Hagen, 57, aus Köln: „Jeder von uns mußte 1949 Akzepte für Wechsel über 20 000 bis 30 000 Mark geben."

 

„Wir haben stets eine rationelle Finanz-und Steuerpolitik betrieben", so rühmt Grundigs Finanzberater Josef Schäfer seine Hilfeleistungen. Im Fürther Finanzamt verdichtete sich jedoch der Eindruck, daß Grundigs Steuerpolitik anfechtbar sei. Wütend beschwerte sich der Firmenchef über die lästigen Recherchen der fiskalischen Betriebsprüfer. Die Firma drohte 1949/50, einen Teil der Belegschaft zu entlassen, falls die Schnüffelei nicht aufhöre. Das aber konnte den damaligen Präsidenten der Oberfinanzdirektion Nürnberg, Professor Dr. Dr. Grabower, nicht abhalten, eine gründliche Durchleuchtung der Firma Grundig anzuordnen.

Das Finanzamt und die Verschwörer

So sagt Finanzberater Schäfer: „Man behauptete damals, daß unser Rohstoffeingang mit der Zahl der daraus produzierten Geräte nicht übereinstimme. Wir hätten aus dem Material mehr Geräte hergestellt und ihren Verkauf nicht ordnungsgemäß verbucht und versteuert."

 

Der Prüfungskommission war ein eifriger Radiobastler zugeteilt worden, der Steuerinspektor Erwin Hegerl, dessen Emsigkeit den Grundig-Leuten zunächst auf die Nerven ging. Grundig bestreitet nicht, daß er im Anschluß an die Überprüfung dem Fiskus in mehreren Raten etwa eine Million Mark Steuern nachzahlen mußte. „Immerhin", schrieb Grundigs Finanzprokurist Erich Zinngrebe am 15. November 1951 an einen Werksvertreter, „ist die Prüfung noch glimpflich abgelaufen."

 

Des ewigen Gezänks mit dem Finanzamt müde, kamen Zinngrebe und Grundig damals auf die Idee, den eifrigsten Finanzbeamten, den Steuerinspektor Hegerl, dem Fiskus abzuwerben. Nachdem Grundig dem Hegerl ein Gehalt angeboten hatte, das die Bezüge des Steuerinspektors (600 Mark monatlich) bei weitem überstieg, quittierte Hegerl die Beamtenlaufbahn, um mit seinen profunden Steuerkenntnissen der größten Rundfunkgerätefabrik Europas künftig im Streit mit dem Finanzamt beizustehen. Heute gehört Hegerl zu dem Dreimännerkollegium „Grundig-Finanzausschuß", der die bilanz- und steuertechnischen Probleme auf breiter Konzernebene und zu Grundigs Zufriedenheit löst.

 

Nachdem die Steuersorge beseitigt worden war, mußte sich Grundig mit einem weiteren, sehr ernsten Problem auseinandersetzen: Die Werks Vertreter verschworen sich im August 1953 auf einer Konferenz in Rüdesheim, Grundigs unelastische Verträge nicht länger hinzunehmen. Sie forderten von ihm neue Abmachungen, die der aktuellen Marktlage entsprachen. Grundig rang mit jedem einzelnen Vertreter und drängte einigen Vertriebsleuten doch wieder hohe Quoten auf. Da die Vertreter die Geräte nicht schnell genug umsetzen konnten, blieben sie Grundig immer öfter die termingerechte Bezahlung schuldig.

 

Darauf drosselte Grundig bisweilen den Nachschub der besonders marktgängigen Geräte, die er zum Teil damals schon direkt über einige Grossisten vertrieb. Als erste Werks Vertretung brach die Firma des Grundig-Starthelfers Erich Rüsing in Wuppertal zusammen, der die größte Quote umsetzen mußte und nach einem Fehlstart in Berlin derart in Schulden geraten war, daß er sich einem Vergleichsverfahren unterwerfen mußte.

Grundig fährt die ganz harte Linie

Bald darauf ging der Werks Vertreter Egon Echt in Essen pleite und schließlich kam auch noch Grundigs Schwager Hermann Jacklowsky, der mit Annelie, Grundigs Schwester verheiratet ist und das Vertriebsmonopol für Hessen inne hatte, zu Fall; seine Vertriebsfirma in Frankfurt wurde ebenfalls in aller Stille aufgelöst. Außer Jacklowsky blieb noch ein weiterer Schwager des großen Fürther Industriepioniers, der kleine Tonmöbelfabrikant Emil Zimmer in Senden bei Neu-Ulm, bei Grundigs Gewaltmarsch zur wirtschaftlichen Macht auf der Strecke.

 

Grundig hatte den ehemaligen Möbeltischler vor Jahren ermuntert, seinen Handwerksbetrieb derart auszubauen, daß er für Grundig Tonmöbel in Serienproduktion herstellen konnte. Schwager Zimmer übernahm sich aber mit den Investitionen und geriet in Zahlungsschwierigkeiten, so daß er ein Vergleichsverfahren beantragen mußte. Sagt Grundigs Schwester Klara Zimmer: „Mein Bruder erklärte mir damals: ,Ich könnte natürlich helfen, aber ich tue es nicht. Deinem Mann schadet es gar nicht, wenn er auf der Schnauze liegt."

 

„Grundig mußte damals oft brutal sein, aber inzwischen bekam er auch menschliche Züge", hält der Hamburger Grossist Carl Petersen Mährt, der für Grundig Exportverbindungen nach Übersee und zu den Ostblockländern anknüpfte, dem Fürther Großindustriellen zugute. Petersen Mährt ist einer der wenigen Werksvertreter, die alle Krisen überstanden. Aus dem Verkäuferring mußten nämlich außer Rüsing, Echt und Jacklowsky noch weitere Starthelfer ausscheiden: der stark verschuldete ehemalige Werksvertreter in Köln, Hermann Hagen, und der Münchner Generalvertreter Friedrich Weiler; dem Bruder des Münchner Händlers, Hermann Weiler, hat Grundig jüngst (zum 30. Juni 1958) die Werksvertretung für Nordbayern gekündigt, so daß von den ehemals zehn Werksvertretern nur noch vier übriggeblieben sind.

 

Inzwischen baute Grundig seine Vertriebsorganisation völlig um: Er schloß mit etwa 40 Grossisten Lieferverträge ab und gründete außerdem eine eigene Großhandelsgesellschaft, die Grundig Verkaufs GmbH, mit Filialen in mehreren bundesdeutschen Großstädten, bei denen Einzelhändler und Grossisten Grundig-Geräte beziehen können. Dieses Vertriebssystem bürdete Grundig jedoch ein größeres Risiko auf; jetzt konnte er sich nicht mehr an zehn feste Abnehmer halten und von ihnen alle 30 Tage Geld verlangen.

 

Mit dieser Umstellung begann eine neue Phase in Grundigs Nachkriegskarriere. Wenn er sich gegenüber der erstarkenden Konkurrenz mit ihrem Glanz alter Namen behaupten wollte, mußte er zwei Aufgaben meistern:

 

  • Die Geräte mit dem traditionslosen Namen Grundig mußten technisch höher gezüchtet werden als alle übrigen deutschen Fabrikate
  • sie mußten billiger sein oder zumindest preisgünstiger erscheinen.

 

 

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